Noch einmal: Die verfolgende Unschuld. Vor- und Nachgetragenes zum Fall Liebich

Vor drei Jahren löste der Studierendenrat der Uni Halle den AK Antifaschismus auf. Federführend war dabei eine Allianz aus Jusos, Grünen und der Offenen Linken Liste. Zuvor hatte der AK Antifa mehrere Vorträge über die Fallstricke des queertheoretischen Transaktivismus und des darauf fußenden Selbstbestimmungsgesetzes organisiert. Vor drei Monaten trat dieses Gesetz nun in Kraft. Es ließ die vorab formulierten Befürchtungen bald zur possenhaften Wirklichkeit werden. Als in der letzten Woche bekannt wurde, dass Halles berühmtester Nazischreihals (vormals: Sven Liebich) sich von nun an Marla Svenja nennt und als Frau fühlt, waren sich von den „Omas gegen Rechts“ bis zum linksgrünen Stammtisch des hallischen Paulusviertels alle Wohlmeinenden einig:  „ER“ – Liebich – bemüht sich wie schon in der Vergangenheit um die größtmögliche Provokation, weil er die maximale Aufmerksamkeit erheischen will. Die meisten Szenekenner sprachen zudem von einer Prozessverzögerungstaktik: Liebich war wegen Volksverhetzung und übler Nachrede vor einiger Zeit zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt worden und strebt gegenwärtig ein Revisionsverfahren an. Vieles spricht dafür, dass Liebich, abgesehen von einem fast schon manisch wirkenden Drang, beachtet zu werden, darauf abzielt, möglichst nicht oder nur mit einer gehörigen Verspätung in den Knast einzufahren. Dass dieses Vorgehen im Selbstbestimmungsgesetz und im queertheoretischen Transaktivismus angelegt ist und dadurch befördert wurde, wurde in den öffentlichen Stellungnahmen und Debatten interessanterweise jedoch zumeist verschwiegen. Aus gutem Grund. Denn sowohl Liebichs voluntaristischer Geschlechtswandel als auch die Entschiedenheit, mit der ihr nun ausgerechnet diejenigen, die Geschlecht bisher stets als reinen Willensakt dekonstruieren wollten, das Frausein absprechen, dementiert die theoretischen Grundprämissen des Transaktivismus nicht nur. Sie werden vielmehr zertrümmert. Mit Liebichs Entscheidung, Svenja zu werden, ist das passiert, was die transaktivistischen Judith-Butler-Freunde immer wollten:  Jeder kann frei, ohne Fremdbestimmung und per reinem Willensakt sein Geschlecht wählen. Eine Prüfung der Glaubhaftigkeit des Geschlechtswechsels – wie auch immer das aussehen sollte – ist im Selbstbestimmungsrecht gerade nicht vorgesehen, wie vor einigen Jahren zur Empörung der Verbotsfraktion bei einem Vortrag des AK Antifa kritisiert wurde. Der Hinweis, dass es zu einem Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes kommen könnte, wurde als transphobes Hirngespinst denunziert, davon wollte weder der Studierendenrat noch die große Allianz, die ihn unterstützte, etwas wissen. Dass nun ausgerechnet Liebich zur Frau der Stunde werden und den Kaiser als nackt outen konnte, während die Freunde des Selbstbestimmungsgesetzes in extenso sogenanntes Deadnaming betreiben, ist dabei nicht nur ein Treppenwitz der Geschichte. Es ist zugleich Ausdruck der inneren Widersprüche und Fragwürdigkeiten des queertheoretischen Transaktivismus. Auch deshalb nutzen wir die Gelegenheit, noch einmal auf einige Thesen zum Transaktivismus zu verweisen, die wir vor einigen Jahren bei einer frauenfeindlichen Demonstration (Titel: „Raise your fists against TERFs“) als Flugblatt verteilt haben. Sie erscheinen uns weiterhin passend und mehr als aktuell – und wie eine Vorwegnahme der Causa Liebich.

 

Wir leiteten das Flugblatt damals mit folgenden Worten ein:

Die AG „No Tears for Krauts“ hat es bisher vermieden, sich zu den Umtrieben der örtlichen Butler-Jugend zu äußern. Wie sich Leute „identifizieren“ oder „gelesen werden“, die durch ihre öffentlichen Stellungnahmen und Beschuldigungen nahelegen, dass sie selbst gar nicht richtig lesen können, ist uns herzlich egal. Wir bezeichnen sie allein schon aus Gründen der Höflichkeit als das, als das sie bezeichnet werden wollen – und gern auch noch als einiges andere dazu. Darüber hinaus wollen wir nichts mit den Kinderkreuzzügen verwöhnter Mittelstandskids zu tun haben, die auf dem Rücken des tatsächlich oft großen Leidensdrucks und der Diskriminierung von Transpersonen ihren Narzissmus ausleben. Darum auf diesem Weg auch nur ein paar wenige Worte zum Nachdenken, Weiterdenken, Ergänzen – und um den nächsten Transphobievorwurf basteln und uns die Fördergelder entziehen zu können, die wir nicht haben und auch nicht brauchen.

Sehr geehrte Flintas und Herren,

seit Marx ist bekannt, dass sich das offiziöse Programm politischer Vereine regelmäßig deutlich von dem unterscheidet, was sie am Ende anrichten. (1) Die amerikanischen und französischen Revolutionäre von 1776/89 glaubten, die alte und gottgegebene Ordnung wiederherzustellen. Dabei schufen sie eine völlig neue Gesellschaft. Die Bolschewiki des 20. Jahrhunderts sprachen von einer Welt ohne Ausbeutung und begründeten ein System, das, mit den Worten George Orwells, am besten auf das Bild eines Stiefels gebracht wird, der immer und immer wieder in ein menschliches Gesicht tritt. (2) Ein paar Nummern kleiner findet sich dieser Widerspruch auch bei der Szene, die diesen eintönigen Umzug hier organisiert. Sie spricht von Gleichberechtigung, Toleranz und Rücksichtnahme, objektiv gesehen steht sie jedoch für das völlige Gegenteil. Dazu ein paar vorläufige Thesen:

1. Die woke Queerszene ist frauenfeindlich

Auch wenn Exklusion in der Szene offiziell verpönt ist, ist es dort erstaunlich still, wenn es um Gewalt gegen Frauen sowie Entrechtung und Misshandlung von Frauen geht. Die Gleichberechtigung von Frauen in Alltag und Beruf ist dort längst kein Thema mehr. Es gibt sogar nur wenige Begriffe, die in der Szene so verpönt sind wie der Begriff „Frau“ an sich, das heißt ohne Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich und die restlichen Sonderzeichen der Tastatur, die in den nächsten Jahren sicher noch zur Anwendung kommen werden. Man meidet die Rede von Frauen wie der Veganer das Rumpsteak. Mal spricht man von „Menschen, die menstruieren“, mal von „Menschen mit Gebärmutter“: ein erstaunlich biologistisches und verächtliches Vorgehen für Leute, für die Biologie Schweinkram und gegenseitige Rücksichtnahme die heilige Botschaft ist.

Zugleich zielt das Milieu darauf ab, die Erfolge der Frauenbewegung rückgängig zu machen, mindestens aber zu unterminieren. Das betrifft ganz konkret Frauenquoten, Frauenlisten, Frauenhäuser, Stipendien oder Preise für Frauen. Wenn sich jeder ganz unbürokratisch zur Frau ernennen kann, können Schutzräume für Frauen und Mädchen nicht mehr aufrechterhalten werden, obwohl sie weiterhin dringend nötig sind. Da Geschlecht ausschließlich als Konstruktion gilt, sollen sie in Zukunft auch für Typen geöffnet werden, die sich aus welchem Grund auch immer als Frauen verstehen. Am Ende stehen sie allen Männern offen, die hineinwollen. (3) „Wolle mer se roilasse“, ist das genauso karnevalistische wie ernst gemeinte Motto des Vereins. Das trifft auch für Toiletten, Umkleidekabinen, Frauensport, Frauengefängnisse und ähnliches zu. Frauen, die sich nicht als nonbinary oder trans verstehen, geraten in der Szene, wie eine Feministin schon vor einigen Jahren erklärte, immer mehr unter die Räder. (4)

2. Die woke Transszene ist in realitas eine Männerrechtsbewegung

In dem Maß, in dem sie die Rückzugsräume und Rechte von Frauen unterminiert, stärkt die Szene die Rechte von Männern. Männern, die sich als Frauen verstehen, soll nun überall dort Zugang verschafft werden, wo sie vorher nicht hindurften, weil sie nicht auf eine weibliche Sozialisation oder weibliche Erfahrungen zurückblicken können, sondern auf männliche oder transsexuelle. (5) Männer können gegenüber Frauen nun endlich wieder die Sau rauslassen: sei es, indem sie die genannten Preise, Stipendien oder Listenplätze einheimsen, die nicht für sie bestimmt sind, sei es, dass sie in die Damensauna, den Sehnsuchtsort der Altherrenclubs der 1980er Jahre, gehen können, oder, inzwischen auch sehr beliebt, lesbische Frauen beschimpfen können, die keinen Sex mit ihnen haben wollen: inzwischen nicht mehr, wie über Jahrzehnte hinweg üblich, als männer‑, sondern als transfeindlich. Die Fälle von Michelle Winter und Karen White sind zweifellos nicht die Regel: Beide wurden wegen der Vergewaltigung von Frauen verurteilt, aufgrund ihrer Selbstidentifikation als Frauen jedoch in einen Frauenknast überstellt, wo sie mehrere Inhaftierte sexuell attackierten. Manchmal verdeutlicht sich die Logik einer Entwicklung jedoch in Extrembeispielen.

Viel häufiger finden die männlichen Selbstermächtigungen jedoch in der Szene selbst statt, wenn die bormännernden „Allies“, die sich aufgrund grünen Nagellacks am kleinen Finger oder einer rosa Hassmaske über dem bezopften Haar als „non-binary“ definieren, (6) gewöhnlichen Frauen mal so richtig Bescheid geben und über den Mund fahren können, weil sie den obligatorischen Sprech und die dazugehörigen Denksimulationen noch nicht richtig draufhaben. Es ist, wie sich eine Feministin jüngst in der „Taz“ beklagte, „wieder hoffähig, dass sogar linke Männer Frauen unterbrechen und ihre Definitionen von Feminismus erläutern und dabei möglichst noch perfekt den Glottisschlag nutzen“. (7)

Auch die Begeisterung der Szene für Pornografie und Prostitution spricht Bände. Zwar sind wir nicht der Meinung wie einige unserer Freunde, die für die modernisierte Version der PorNo-Kampagne oder das skandinavische Modell des Prostitutionsverbots eintreten: Das wird dem gesellschaftlichen Phänomen von Prostitution und Pornografie nicht gerecht und schafft neue Probleme. Dass die woke Verherrlichung von beidem nicht der absolut richtigen Unterstützung von Prostituierten oder Pornodarstellerinnen dient, sondern die Widerspiegelung des pornografisierten Frauenbildes des Junggesellenabends oder des Bundeswehrspindes ist, ist jedoch kaum zu übersehen. Kurz: Das woke Transgedöns, dem wir heute bei dieser Demo beiwohnen können, ist nicht zuletzt ein Projekt der alten weißen Männer von Morgen, die sich ihre Privilegien über den Umweg der Queerszene zurückerobern wollen.

3. Die woke Transszene bietet einfache Antworten auf schwierige Fragen

Selbstverständlich ist die Szene keine reine Männerbewegung. Ein nicht unerheblicher Teil besteht aus Frauen. Das stellt die These jedoch nicht infrage. Nicht erst seit den „Studien zum autoritären Charakter“ ist bekannt, (8) dass Menschen oft gegen ihre eigenen Interessen agieren. Gelegentlich findet auch eine Identifikation mit dem Aggressor statt: die linke Szeneversion des berühmten Stockholm-Syndroms.

Vor allem bietet die Szene einfache Antworten für junge Frauen, die aufgrund der Verwandlung des Körpers am Ende der Kindheit, aufgrund gesellschaftlichen Drucks, von Belästigungen oder sexuellen Unsicherheiten, die zum Leben dazu gehören, mit ihrem Dasein als Frau oder ihrer sexuellen Orientierung hadern, wie es oft in der Pubertät und der inzwischen bis weit über das 20. Lebensjahr hinaus verlängerten Adoleszenz stattfindet. Der Weg, der für Menschen, die tatsächlich eine Geschlechtsdysphorie haben, ein überaus schwerer und herausfordernder ist, erscheint ihnen als der leichte: Sie sind nicht lesbisch, sondern ein Mann, der im falschen Körper geboren wurde; nicht schwul, sondern eine Transfrau; und nicht bisexuell, unzufrieden mit ihrem Körper oder gesellschaftlichen Anforderungen, sondern nichtbinär. So scheint die Ordnung der Dinge wiederhergestellt werden zu können.

4. Die woke Transszene bietet Ermächtigungsstrategien für narzisstische Mittelstandskids

Fürs Kapitalverhältnis sind alle gleich. Es interessiert sich nicht für die dahingeschmierten Strichmännchen, für die Klara als Kleinkind von ihren Eltern mit Rembrandt verglichen wurde, nicht dafür, dass der Siegemund von Mutti drei Mal zu oft am Abendbrotstisch gesagt bekommen hat, dass er so schön ist, und erst recht nicht für die beiden Bienchen, wegen denen Tonis Erzeuger ihn in der ersten Klasse für hochbegabt hielten, sondern nur für ihre Verwertungsfähigkeit. Das ist für alle Menschen mit einer Kränkung verbunden.

Besonders stark ist diese Kränkung aber für jene Mittelstandskinder, die nie gelernt haben, zwischen Innen und Außen zu unterscheiden, weil ihnen von ihren Eltern suggeriert wurde, dass sie identisch mit der Welt seien. Für sie ist es besonders schwer, während des Studiums oder des Einstiegs ins Berufsleben zu realisieren, dass sie sich nicht sonderlich von den anderen unterscheiden. Gerade im Zeichen der Krise, wenn das Angebot mittelbegabter Akademiker die Nachfrage bei weitem überschreitet, tendieren sie besonders stark dazu, die eigene Einzigartigkeit herausstellen, sich von anderen abheben und doch noch beweisen zu wollen, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Das ist kein bewusster Plan, oft noch nicht einmal erfolgversprechend oder sonderlich rational, sondern eine eher unbewusste Reaktion auf die Imperative des Marktes, die durch die Veränderung von Familienstrukturen und Erziehung noch befördert wird. Sie wissen nicht, dass sie es tun, aber sie tun es, heißt es irgendwo bei Marx. (9)

Es existieren viele Strategien, sich als etwas ganz Besonderes herauszustellen; zu den beliebtesten und erfolgversprechendsten gehört derzeit aber das Queer- und Transticket. Dafür gibt es viele Gründe. Der wichtigste dürfte sein, dass gerade der Anschluss an die woke Queerszene ebenso einfach wie preiswert ist, wenn man nicht gerade den schwierigen Weg der Transition gehen will, was aber nur die allerwenigsten Angehörigen der Szene tun. Es gehört kaum mehr dazu als ein Lippenbekenntnis, ein paar Utensilien aus der – wahlweise – Frauen- oder Herrenabteilung von H&M und ein bisschen Chuzpe, die die meisten Mittelstandskids aber bereits mit der Muttermilch eingesogen haben. (Nebenbei: Zum Bedürfnis sich abzuheben und als etwas ganz Besonderes zu erscheinen, passt auch die nur noch für Eingeweihte verständliche Sprache mit Leerformeln wie „Flinta“, „enby“, „A_gender“, „Cis“, „Terf“, „Swerf“, „Allies“, „Deadnaming“, „misgendern“ usw.)

Zugleich bietet die Szene wie derzeit kaum etwas anderes die Möglichkeit, die eigenen Kränkungen durch Aggressionen zu kompensieren. Die Verfolgung von Abweichlern, die Denunziation von Kritikern und die mal virtuelle, mal reelle Zusammenrottung kann nicht nur mit gutem Gewissen betrieben werden; von diesem kollektiven Abstrafungsbedürfnis gegen alle, die auch nur zaghafte Zweifel äußern, wird die Szene vielmehr zusammengehalten.

5. Die woke Transszene betreibt einen neuen Totalitarismus

Die Queerideologie ist in sich zutiefst widersprüchlich und bigott. Wenn Geschlecht ausschließlich eine soziale Konstruktion ist, welchen Zweck sollen dann Hormonbehandlungen und operative Veränderungen erfüllen? Wenn die „heteronormative Matrix“ kritisiert werden soll, warum sollen dann die geschlechtlichen Vereindeutigungen vorgenommen werden, auf die Transitionen, aber auch Namensanpassungen abzielen? Warum wollen Transfrauen dann unbedingt und ausschließlich als Frauen bezeichnet werden? Weshalb will Hildegard unter allen Umständen Horst genannt werden, wenn sie sich nicht mehr als Frau versteht und binären Geschlechtskonstruktionen entgehen will? Und wenn Geschlecht nicht so wichtig und nur konstruiert ist, wie kann Leuten dann die „Existenz“ abgesprochen werden, wenn sie z.B. „misgendert“ werden, so wie es im „Aufruf“ für diese Veranstaltung behauptet wird?

Wer solche Fragen stellt, weist nicht auf randständige Ungereimtheiten hin, die jede politische Bewegung hat, sondern rührt an den Grundfesten der Szene. Aus diesem Grund darf nicht darüber gesprochen werden. Die Szene tendiert zu Denk- und Sprechverboten, sowohl nach innen als auch nach außen. Deshalb werden Einladungen zu Podiumsdiskussionen, wie jüngst in Halle, abgelehnt, deshalb werden keine Argumente ausgetauscht, sondern es wird niedergebrüllt, gelogen, denunziert und verleumdet. Weil sie Angst haben, dass ihr Schwindel auffliegt, lassen sie sich nicht auf Diskussionen ein, sondern wiederholen entweder immer wieder argumentfrei den Vorwurf der Transphobie oder verfallen ins obligatorische Terf-Tourette: „Terf! Terf! Terf!“ Es geht nicht um Wissen und Nachdenken, sondern darum, zu gehorchen. Die Welt und die Mitmenschen sollen sich den eigenen Ansagen und Wünschen unterordnen: die Welt als Wille und Vorstellung.

Wer sich verweigert, der wird bedroht; gegen ihn wird zur Gewalt aufgerufen („Terfs boxen!“, „Auf die Fresse!“ usw.), (10) so wie jüngst prominent bei Kathleen Stock geschehen. Die Feministin und Philosophieprofessorin der Universität Sussex hatte sich erdreistet, einige Grundannahmen der Szene zu hinterfragen, und wurde zunächst niedergebrüllt und denunziert. Schließlich wurden sie und ihre Familie von vermummten Transaktivisten bedroht und bedrängt, die Polizei riet ihr zum Personenschutz, weil sie nicht für ihre Sicherheit garantieren konnte. Am Ende nahm Stock ihren Abschied und zog sich aus der Universität zurück.

Von Transaktivisten wurde dies als Sieg armer und verfolgter Opfer von Diskriminierung über eine aggressive und mächtige „Cis-Frau“ gefeiert: Sie bejubelten die Nachricht vom Rücktritt Stocks mit dem Lied „Ding Dong, the Witch is Dead“ aus dem „Zauberer von Oz“. Damit gaben sie nicht nur indirekt zu, dass sie eine Hexenjagd betrieben haben, sondern sie präsentierten zugleich ein Muster, das auch aus der Geschichte anderer totalitärer Bewegungen bekannt ist – das der „verfolgenden Unschuld“ (Karl Kraus).

In diesem Sinn:

Für den Feminismus!
Gegen den neuen Totalitarismus!
Solidarität mit den Opfern transfeindlicher Gewalt!
Gegen die Instrumentalisierung von Transpersonen durch das Woke-Milieu!
Gegen die woke Anti-Antifa! (11)
WERQs stoppen! (12)

Ihr AK „Non-binary, Surf & Terf“ in und bei der

AG „No Tears for Krauts“, 04/2022, 02/2025

 

Anmerkungen:

(1) Da einigen unserer Freunde vorgeworfen wurde, nicht klar und überakademisch korrekt nachgewiesen zu haben, woher sie bestimmte Zahlen, Zitate und Erkenntnisse haben, möchten wir diese Angriffsfläche vermeiden und genau zeigen, dass wir im Soziologie-Grundkurs aufgepasst haben. Darum: Vgl. www.google.de, zuletzt aufgerufen am 2. Januar 2016.

(2) Vgl. www.yahoo.de, zuletzt aufgerufen am 2. Januar 1997.

(3) In letzter Zeit ist es beliebt geworden, vor der Kritik der Butler-Jugend zu erklären, dass man gegen die Diskriminierung von Transpersonen sei. Wir verzichten darauf. Wer solche Selbstverständlichkeiten extra betont, knickt bereits vor dem totalitären Anspruch der Szene ein. Wir beginnen Texte zur Kritik der antirassistischen Ideologie oder des Postkolonialismus ja auch nicht mit dem Abspulen von Banalitäten wie der, dass wir natürlich gegen Rassismus und Kolonialismus seien.

(4) Vgl. Emma, 2017 oder 2018. Vielleicht auch 2015. Oder Jungle World. Oder irgendwo anders. Darum auch hier: www.google.de.

(5) Diese Kombination aus Erfahrung und Sozialisation lässt sich nicht so leicht hormonell oder durch operative Eingriffe zum Verschwinden bringen. Sie wirkt nicht selten deutlich nach: So sind z.B. 98 Prozent der Sexualstraftäter in Großbritannien Männer. Sexualstraftaten sind damit primär ein männliches Delikt. Die Hälfte der britischen inhaftierten Transfrauen ist bezeichnenderweise wegen genau dieses männlichen Delikts hinter Gittern. Vgl. sucht selbst.

(6) Vgl. Radikales Flinta-Kollektiv, https://www.instagram.com/radikalesflintakollektiv, zuletzt aufgerufen: nur einmal, und das war schon zu oft.

(7) Genau, „Taz“.

(8) Adorno und so.

(9) MEW, irgendwo.

(10) So u.a. Schriftzüge am linken Zentrum „VL“ in Halle, das sich erdreistet hatte, seine Räumlichkeiten für eine Diskussionsveranstaltung zur Verfügung zu stellen, bei der einige Dogmen der Szene kritisiert wurden, und die Parolen bei einer Kundgebung dagegen.

(11) Für Leute von außerhalb: Aufgrund einer kritischen Veranstaltung zur Butler-Jugend versucht das woke Queermilieu Halles mit Unterstützung der Juso-Hochschulgruppe („Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten!“), der Grünen Hochschulgruppe („Ja, Gerhard, lass uns Hartz-IV verabschieden, Dein Joschka!“) und der OLLi, der Offenen Linken Liste („Links ist da, wo der Daumen rechts ist!“), seit einiger Zeit, die AG Antifa als Arbeitskreis des Stura der Universität Halle aufzulösen. Damit würde der AK seine kompletten finanziellen Mittel und die Möglichkeit verlieren, ohne größeren Aufwand Veranstaltungen in Räumen der Uni zu organisieren. Die Chancen für die Auflösung stehen nicht schlecht. Sollte die Auflösung gelingen, würde dem linken Sturabündnis ein größerer Schlag gegen organisierte Antifa-Strukturen in Halle gelingen, als der gesamten Naziszene in den letzten 25 Jahren. Der stadtbekannte Neonazi Sven Liebich und seine Freunde waren dementsprechend schon begeistert von dem Antrag. Die „Bonjour Tristesse“ schrieb darum vollkommen richtig, dass Jusos, Grüne und Olli objektiv Anti-Antifa-Arbeit betreiben würden.

(12) Wir können uns auch dusselige Abkürzungen ausdenken: Women-Exclusionary Radical Queerfeminism!

 

Ende Gelände: Mehr Antisemitismus wagen!

Zur Solidarisierung von Ende Gelände Halle mit den Students for Palestine

Die Umweltfreunde von Ende Gelände Halle sind empört: Ein Vernetzungstreffen der Students for Palestine wurde, wie die Kohletagebaukletterer in einer Stellungnahme erklären, „angegriffen“. Was ist passiert? Glaubt man Ende Gelände, dann wurde eine Zusammenkunft der Students for Palestine kurz nach dem Beginn „unterbrochen“ und die Teilnehmer aufgefordert, das Treffen zu beenden.
Wir wissen nicht genau, was bei diesem Vernetzungstreffen passiert ist, wir wissen auch nicht genau, ob der Begriff des „Angriffs“ dafür gerechtfertigt ist. Aber wir wissen so viel: Hätten propalästinensische Studenten eine israelsolidarische Veranstaltung unterbrochen, die Teilnehmer zur Beendigung aufgefordert und sie dabei gefilmt, dann wäre das in den meisten deutschen Leitmedien, von Berliner Hochschulverwaltungen und dem antizionistischen Unterschriftenkartell als freundliches Diskursangebot betrachtet worden. So weit würden wir selbstverständlich nicht gehen, weil wir im Unterschied zu den Students for Palestine oder zu Ende Gelände weder uns noch irgendjemandem anders etwas vormachen wollen, aber für uns klingt der vermeintliche Angriff auf die Students for Palestine so, als hätten ein paar Leute die vielgeforderte Zivilcourage gegen Antisemitismus ernstgenommen und die Parole „Wehret den Anfängen“ nicht nur als Floskel betrachtet.
Anders als von Ende Gelände suggeriert, handelt es sich bei den Students for Palestine auf keinen Fall um eine Kindergartengruppe, die Decken und Lebensmittel für Frauen und Kinder im Gazastreifen sammelt. Auch das wäre natürlich schon dumm genug, weil Gaza und die Westbank zu den am besten gepamperten Regionen der Welt gehören. Wären die 1,2 Milliarden Euro, die seit 2021 allein aus EU-Mitteln in die Palästinensergebiete geflossen sind, nicht für den Bau eines weit verzweigten Angriffstunnelsystems, Raketen, andere Waffen und antisemitische Indoktrination zweckentfremdet, sondern in Bildung, Infrastruktur und soziale Unterstützung gesteckt worden, gäbe es dort vermutlich sogar einen gewissen Wohlstand. Trotz aller Dummheit wäre die humanitäre Unterstützung der palästinensischen Zivilbevölkerung jedoch verschmerzbar – selbst wenn die Trennung zwischen Zivilbevölkerung und den antisemitischen Mörderbanden von Hamas und Islamischem Jihad angesichts der Zustimmungswerte und der palästinensischen Begeisterung für das Massaker vom 7. Oktober kaum möglich ist.
Die Students for Palestine sind jedoch keine Kindergartengruppe, sondern lassen sich ohne jede polemische Zuspitzung als antisemitischer Zusammenschluss bezeichnen. Sie sind, wie das Bündnis gegen Antisemitismus Halle zu berichten weiß, eng mit stalinistischen und anderweitig autoritären Gruppen wie dem sogenannten Solidaritätsnetzwerk, der Föderation klassenkämpferischer Organisationen, dem Kommunistischen Aufbau und der Leipziger Gruppe Handala vernetzt. Handala ist eine Pro-Palästina-Gruppe mit klarer islamistischer Schlagseite: Sie hantiert gern mit dem roten Dreieck, einem Terrorsymbol der Hamas, mit dem Morddrohungen ausgesprochen werden. In einem ihrer letzten Pamphlete setzte Handala Israel und seine Unterstützer mit den Nazis gleich. Zugleich wurde behauptet, dass beim Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober, der von geradezu unvorstellbarer misogyner Gewalt geprägt war, gar keine Vergewaltigungen stattgefunden hätten. Die Rede von Vergewaltigungen sei vielmehr ein zionistischer Propaganda-Trick. Diese Behauptung ist umso absurder, als die Hamas und der Islamische Jihad sich bei ihren Verbrechen filmten und die Videos stolz über die sozialen Netzwerke in die Welt trugen.
Erst Ende Mai organisierten die Students for Palestine eine antisemitische Demonstration in Halle. Noch einmal das Bündnis gegen Antisemitismus: „Antiimperialistische Linke demonstrierten einträchtig mit Islamisten, Anhängern der rechtsextremistischen türkischen Grauen Wölfe und deutschen Neonazis. So wurde mehrfach das islamistische Bekenntnis, dass man ‚Blut‘ und ‚Leben‘ ‚für Al Aqsa‘ geben wolle, skandiert (die Al-Aqsa-Moschee ist eins der Heiligtümer des Islam), andere Teilnehmer zeigten den Wolfsgruß, das Erkennungszeichen der Grauen Wölfe. Darüber hinaus beteiligten sich mehrere Personen aus dem Umfeld des hallischen Neonazis Sven Liebich an der Demonstration. (…) Auf Arabisch war mehrfach ‚Scheiß Juden‘ zu hören, es wurde zum Kampf gegen Israel aufgerufen (etwa: ‚Intifada bis zum Sieg!‘) und das Existenzrecht des jüdischen Staates wurde infrage gestellt, z.B. durch die Parole ‚From the River to the Sea, Palestine will be free‘. (Der ‚River‘ ist der Jordan, die ‚Sea‘ das Mittelmeer, das Gebiet also, auf dem sich Israel befindet.)“

Für Freitag, den 5. Juli, rufen die Students for Palestine erneut zu einer Demonstration auf – diesmal nach Halle Neustadt: Auch hier ist wieder mit einer großen Koalition von linken und rechten Antisemiten zu rechnen, die vor allem durch ihre Feindschaft gegen den jüdischen Staat vereint werden.
Das alles dürften die Mitglieder von Ende Gelände Halle wissen. Auch sie sind weder eine Kindergartengruppe noch sind sie dazu unfähig, die einfachsten Dinge zu recherchieren. Wenn sie in ihrer Erklärung nicht danach fragen, wer die Students for Palestine überhaupt sind, und zu welchem Zweck sie sich vernetzen wollten, wenn sie den Antisemitismus der Students ignorieren, wenn sie sie stattdessen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Linken einem wie auch immer aussehenden progressiven Lager zuordnen, als hätte die Linke nie einen Josef Stalin, einen Mao Tse-Tung oder einen Pol Pot hervorgebracht, geht das nicht auf Dummheit, sondern auf Kalkül zurück. Das legt auf jeden Fall die Aussage nahe, dass „zweifellos“ der „Bedarf“ bestehe, „sich hinsichtlich der desaströsen Situation und den (sic!) Kriegsverbrechen in Gaza sowie den deutschen Debatten darüber politisch zu vernetzen“. Die Beschwerde, dass in Halle bisher „wichtige Perspektiven zur komplexen Situation in Israel/Palästina“ gefehlt hätten, heißt angesichts der politischen Ausrichtung der Students for Palestine darum nicht weniger als: Mehr Antisemitismus wagen!
Dass Ende Gelände das eigene Politikfeld nun plötzlich vom Kohletagebau auf die Situation im Nahen Osten ausweitet, erscheint auf den ersten Blick merkwürdig. Wer sich mit der Geschichte der Umweltschutzbewegung, der die Gruppe zuzurechnen ist, auskennt, ist aber wahrscheinlich weniger verwundert. Zumindest im 19. Jahrhundert war die Forderung nach Natur- und Heimatschutz, wie es damals noch hieß, nicht selten mit der Klage über wurzellose Juden verbunden, die für Industrialisierung, Urbanisierung oder die Entfremdung von Heimat und Scholle verantwortlich gemacht wurden. Umweltschutz und Antisemitismus waren zumindest in den Anfangstagen eng miteinander verbunden. Mit Ende Gelände Halle kommt ein Teil der Umweltbewegung nun wieder dort an, wo sie im 19. Jahrhundert aufgebrochen ist – und wo die Fridays-for-Future-Ikone Greta Thunberg, die bruchlos von der Klimarettung zum Israelhass übergegangen ist, schon wartet.
AG No tears for Krauts,
06/2024

Nie wieder Deutschland! Nie wieder Gaza!

Folgendes Flugblatt verteilten wir am 27. Januar 2024 bei der vom Bündnis “Halle gegen Rechts” veranstalteten Kundgebung zum Holocaust-Gedenktag unter dem Motto: “Nie wieder ist jetzt – Never again is now” (Marktplatz Halle):

Nie wieder Deutschland!
Nie wieder Gaza!

Als am Morgen des 7. Oktobers tausende Hamaskämpfer den Grenzzaun zu Israel überwanden, um Juden auf denkbar barbarischste Weise zu töten, zu vergewaltigen und zu entführen, wurden sie von wiederum tausenden Einwohnern Gazas begleitet, die die Gelegenheit nutzten, um ihre jüdischen Nachbarn ebenfalls auszuplündern und fürchterlich zu schänden. Dieser Tag war mit Abstand der schlimmste Tag für die Juden, nicht nur Israels sondern der ganzen Welt, seit dem Ende des Holocausts. Und nicht nur das: Hätten die Palästinenser noch größere militärische Möglichkeiten gehabt, als sie ohnehin schon hatten, und hätte ihnen nicht eine der schlagkräftigsten Armeen des Nahen Ostens auf israelischer Seite gegenübergestanden, wäre die so oft zitierte Singularität des Holocausts so singulär gar nicht geblieben. Mit anderen Worten: Es bestand am 7. Oktober und es besteht auch weiterhin die reale Gefahr eines neuen Holocausts. Genau vor diesem Hintergrund entstand der Slogan „Never again is now!“ – als explizite Solidarisierung mit dem Überlebenskampf des jüdischen Staates. Und es gibt genügend Gründe an einer Solidarisierung mit den Juden und ihrem Staat festzuhalten: Die Hamas ist noch nicht vernichtet, Gaza ist noch längst nicht reeducated, die Geiseln sitzen nach wie vor in den Tunneln Gazas und werden dort systematisch misshandelt. Inwiefern sich die Situation im Norden mit der Hisbollah zuspitzt, ist derzeit nicht absehbar. Und dass es über kurz oder lang Krieg mit dem Mullahregime im Iran geben wird, ist ebenfalls sehr wahrscheinlich. Die Juden an amerikanischen Universitäten sind genauso gezwungen sich bedeckt zu halten wie die Juden, die noch immer in islamischen Gebieten wie Marokko, der Türkei oder Neukölln leben. Never again is now!

Dies alles sind aber keine Gründe dafür, dass die Menschen im besten Deutschland aller Zeiten gegen den grassierenden Antisemitismus auf die Straße gehen. Wenn das Kasperletheater vom Bündnis Halle gegen Rechts zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zur Demonstration mobilisiert, geht es freilich nicht um die Bedrohung der lebenden Juden, sondern um die eigene Agenda, die sich natürlich nur gegen Rechts zu richten habe. Ganz ohne Scham nimmt man den Slogan der Solidaritätswelle für Israels Existenzkampf und deutscht ihn umstandslos ein, indem man das „Never again is now“ gegen irgendwelche Vollhorste der AfD wendet. Bereits auf der Großdemonstration von Halle gegen Rechts am letzten Samstag wurde völlig geschichtsvergessen die Rechts-Partei als Neugeburt der NSDAP dargestellt; ganz so als ob Weidel und co schon Listen mit deutschen Juden anlegen würden. Völlig ohne Realitätsprüfung, ob denn tatsächlich „AfD wählen so 1933“ sei, wie es gerne auf den Anti-AfD-Aufmärschen heißt, demonstriert man mit den Ortsverbänden jener Parteien, die entweder als Ampel oder eben als CDU-Regierung, wesentlich mitverantwortlich dafür sind, dass die AfD überhaupt so einen Zulauf hat. Deren Wähler dürften nicht durchweg rassistisch oder fremdenfeindlich sein, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil aus jenen Bevölkerungsteilen bestehen, die sich von den Bevormundungen und Belehrungen der Altparteien nicht so gerne abholen lassen, wie jene, die im Staatsauftrag gegen einen Rechtsruck auf die Straße gehen, den man sich zurechtlügen muss, um über den eigenen Mist nicht reden zu müssen. Dass man dabei dann nicht nur mit Parteivertretern fast jeder Couleur demonstriert, sondern sich mit der notorisch israelfeindlichen Islamischen Gemeinde Halle, dem Queers for Palestine-Ableger Kohsie e.V. und dem Arabischen Haus auch noch die größten Feinde des jüdischen Staates ins Deutsch-Arabische Haus holt, ist dabei kaum verwunderlich. Im Aufruf von Halle gegen Rechts ist man sich zudem nicht zu blöd, den „Opfern des deutschen Faschismus“ zu gedenken; ganz so als habe der „deutsche Faschismus“ und nicht Millionen von Deutschen ihre jüdischen Nachbarn denunziert, ausgeraubt, verhaftet, deportiert und zusammen mit möglichst vielen anderen Juden Europas, derer man habhaft werden konnte, systematisch vernichtet. Besondere Brisanz für das diesjährige Gedenken an den Holocaust hat zudem ein Umstand, der in den letzten Wochen für die größte Mobilisierung des guten Deutschlands seit Jahrzehnten gesorgt hat: Ein Treffen von AfD-Sympathisanten, die sich irgendwo in einer Brandenburger Landgaststätte widerlichen Omnipotenzphantasien hingegeben haben, wie sie Nicht-Deutsche unter Ausnutzung bestehender Gesetze loswerden können.

Abgesehen von nun nicht gerade für ihr „Vordenken“ bekannten Posterboys der Identitären Bewegung mussten zumindest wir die anderen Mitglieder dieses Treffens googeln, da diese gar nicht so mächtig und bekannt sind, wie die Enthüllungsjournaille in ihren Texten nahelegte. Unterm Strich war dieses Treffen natürlich eine schlimme Horrorshow; als großen Umsturzplan oder als Zeichen eines schlimmen Rechtsrucks lässt sich diese Veranstaltung kaum aufblasen. Ein gefundenes Fressen für das gute Deutschland, das weder über linken noch islamischen Antisemitismus reden will, ist es aber allemal.

Während die AfD zum Wiedergänger der NSDAP aufgenordet wird und sich der antifaschistische Mob in Stellung bringt, um zu zeigen, was die eigenen Urgroßeltern hätten tun sollen (*), ist das Schweigen zum Neuversuch des Holocausts im Nahen Osten bezeichnend. Never again is now ist keine Wohlfühlparole von den Nachkommen der Nazis, mit der man sich als die besseren Deutschen gerieren kann. Sondern nach wie vor eine Kampfansage an die Antisemiten in Gaza und auf der ganzen Welt. Auf Solidarität aus Deutschland können sich die Juden weder in Israel noch in Neukölln verlassen. Daher sei noch einmal eindringlich darauf hingewiesen, was „never again is now“ konsequent zu Ende gedacht bedeutet:

Nie wieder (rechtes oder linkes) Deutschland!
Nie wieder Gaza!
Solidarität mit Israel!
Waffen für die IDF!

AG No Tears For Krauts
27. Januar 2024

* Es ist nicht genau klar, was die Demonstranten meinten, die auf Plakaten fordern, dass man zeigen solle, was die Urgroßeltern hätten tun sollen: Will man, wie die Urgroßeltern, die unliebsame Opposition verbieten? In Großdemonstrationen Feinde benennen und ausgrenzen? Gegner mundtot machen und aus dem öffentlichen Raum entfernen? Also letztlich den Großeltern nacheifern?

Flugblatt: Kein Kampf gegen den Antisemitismus ohne Solidarität mit Israel!

Folgendes Flugblatt verteilten wir mit einigen Israelfahnen am 9.10.2023 beim Gedenkrundgang “In Erinnerung und Solidarität”, der vom Bündnis Halle gegen Rechts anlässlich des vierten Jahrestags des Anschlags vom 9. Oktober 2019 veranstaltet wurde.
 

Kein Kampf gegen den Antisemitismus
ohne Solidarität mit Israel!

Die Organisatoren der heutigen Veranstaltung haben dazu aufgefordert, auf das Mitführen von Fahnen zu verzichten. Jeder weiß, welche Fahnen gemeint sind: die des jüdischen Staates. Diese Aufforderung war bereits vor den massiven antisemitischen Angriffen, denen Israel seit dem Morgen des 7. Oktober ausgesetzt ist, ein Skandal. Durch die unterschiedslosen Attacken der Hamas und des Islamischen Jihad auf alle Juden, die sie erreichen können, egal, ob Soldaten, Zivilisten, Kinder oder Greise, wird jedoch noch deutlicher, dass ein Kampf gegen den Antisemitismus, der ohne Solidarität mit Israel auskommt, nicht nur halbherzig ist. Er läuft vielmehr auf eine Verharmlosung der antisemitischen Gewalt im Nahen Osten, vielleicht sogar auf ein ideelles Bündnis mit Hamas und Co. hinaus.
Heute ist der vierte Jahrestag des Anschlags von Halle. Damit bietet sich der „Initiative 9. Oktober“, die das sogenannte zivilgesellschaftliche Gedenken organisiert, ein weiteres Mal die Gelegenheit, das Geschehene für die eigene politische Agenda auszuschlachten. Bereits wenige Stunden nach dem Anschlag stellte sich die Tat für viele in einer auffällig klaren Eindeutigkeit dar. So wurde die AfD schnell als geistiger Brandstifter ausgemacht, der Angriff auf einen Döner-Imbiss in rassifizierender Manier als Ausdruck eines „antimuslimischen Rassismus’“ gedeutet und das sogenannte „Manifest“ des Täters als Ausweis gekränkter Männlichkeit identifiziert. Wer wollte, konnte also in den Anschlag hineinprojizieren, was die fleißig eingeübten Phrasen und Deutungsmuster so hergaben. Mit dem Weltbild des Attentäters wurde sich wenig bis gar nicht auseinandergesetzt. Das schien den Veranstaltern des Gedenkens auch gar nicht nötig, denn von Anfang an bestand für sie vor allem ein instrumentelles Verhältnis zum Anschlag. Wer daran Zweifel hegt, sollte sich die Redebeiträge ins Gedächtnis rufen, die hier in den letzten Jahren gehalten wurden. Mehr oder weniger eloquente Vorkämpfer der Queer- und Antiraszene schwadronierten über die Lage an den EU-Außengrenzen, die in der Kontinuität der deutschen Arbeits- und Vernichtungslager stünden, oder über die binäre Geschlechterordnung, deren Verteidiger beim Anschlag quasi „mitgeschossen“ hätten.
Um es also noch einmal deutlich zu sagen: Wer anlässlich eines der schlimmsten antisemitischen Anschläge in Deutschland seit 1945 nationalsozialistische Vernichtungs- und gegenwärtige Flüchtlingslager gleichsetzt und Menschen, die der Idee fluider Geschlechtlichkeiten skeptisch gegenüberstehen, in die Nähe antisemitischer Mörder rückt, sollte keinen Applaus erhalten, sondern mit Tomaten und Eiern konfrontiert werden. Vor allem sollte er als das bezeichnet werden, was er ist, als Holocaustrelativierer und jemand, der antisemitischen Verbrechen verharmlost. Vielleicht sind es Kommentare wie die oben genannten, für die u.a. die „Initiative 9. Oktober“ oder die Gruppe „Migrant Voices“ verantwortlich zeichnen, hinter der sich vor allem deutsche Mittelstandskids verbergen, die der Grund dafür sind, dass sich viele Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Halle von solchen Veranstaltungen fernhalten. Vielleicht lassen sich diejenigen unter ihnen, die stärker an den religiösen Gesetzen und der damit verbundenen Vorstellung von Zweigeschlechtlichkeit festhalten, auch nicht gerne nachsagen, sie hätten „mitgeschossen“. Möglicherweise sehen sie aber auch einfach nur andere Probleme als die, von denen der ideologisch aufgeladene linke Gedenkzirkus umgetrieben wird.
Um das herausfinden zu können, wäre es nötig gewesen, der Jüdischen Gemeinde Halle zuzuhören und Statements wie das Folgende ernst zu nehmen: „Organisationen, Vereine und Privatpersonen, die keinesfalls zu den Opfern dieses Attentats zählen, stellen Forderungen, kritisieren die Stadt und das Land, kurz gesagt – sie machen sich in der Bekämpfung von Antisemitismus wichtig. Sie haben jedoch im Mai dieses Jahres keine Reaktion gezeigt. Ein antisemitischer und antiisraelischer Mob demonstrierte auf dem Marktplatz und versuchte die israelische Flagge anzuzünden.“
Diese Aussage der Jüdischen Gemeinde von 2021 bezieht sich auf eine israelfeindliche Kundgebung, bei der sich im Mai rund 350 Muslime nach ihrem Freitagsgebet auf dem Marktplatz versammelten. Aus der Kundgebung heraus wurden Gegendemonstranten beschimpft, eine Israelfahne wurde geraubt, um sie zu verbrennen. Das Jüdische Gemeindehaus, das sich in der Nähe des Marktplatzes befindet, wurde von der Polizei aus Sicherheitsgründen evakuiert. Zumindest den leitenden Beamten dürfte bewusst gewesen sein, dass sich die antisemitische Raserei vom Verbrennen von Fahnen des jüdischen Staates schnell zum Werfen von Brandsätzen auf Synagogen und andere jüdische Einrichtungen ausweiten kann – so, wie es etwa 2014 in Wuppertal geschah.
Das Zeigen einer israelischen Flagge und die damit zum Ausdruck gebrachte Solidarität mit dem jüdischen Staat wäre nicht nur, aber gerade in Deutschland eine Mindestanforderung an eine Kundgebung oder Demonstration, die vorgibt, der Kritik des Antisemitismus gewidmet zu sein. Der jüdische Staat ist nicht zuletzt eine Reaktion auf den antisemitischen Vernichtungswahn der Deutschen, die – das wird gern vergessen – in der arabischen Welt durchaus einige Unterstützer fanden. Die Gründung Israels geht u.a. auf den Versuch einer zumindest partiellen territorialen Befreiung vom Antisemitismus zurück. Israel bietet einerseits Gewähr dafür, dass verfolgte und hilfesuchende Juden (egal, ob sie eine andere Staatsbürgerschaft besitzen, ob sie israelische Bürger sind, sein wollen oder nicht) eine Zuflucht erhalten und nicht wie in der Zeit des Nationalsozialismus zu ihren Henkern zurückkehren müssen. Andererseits ist die Existenz des jüdischen Staates zumindest ein gewisser Garant dafür, dass Juden auch außerhalb seiner Grenzen ein halbwegs sicheres Leben führen können: Aufgrund seiner staatlichen Verfasstheit kann Israel auf internationaler Ebene besser und wirkungsvoller agieren und intervenieren als es z.B. den jüdischen Hilfsorganisationen der Zwischenkriegszeit möglich war, die aufgrund fehlender staatlicher Unterstützung kaum wahrgenommen wurden.
Auch die Juden, die sich vor vier Jahren in der Synagoge in Halle aufhielten, um Jom Kippur zu feiern, haben ihr Leben nicht den deutschen Sicherheitsbehörden zu verdanken, sondern Zufall und Glück – aber eben auch einer massiven Tür aus Eichenholz, die ohne finanzielle Unterstützung aus Israel nicht hätte eingebaut werden können. Wären Juden in der Diaspora ausschließlich auf das Wohlwollen und das Engagement staatlicher Behörden oder sogar zivilgesellschaftlicher Initiativen angewiesen, dann wäre ihre ohnehin oft schon prekäre Lage noch um ein Vielfaches schlechter.
Ohne seine Streitkräfte könnte Israel all die genannten Funktionen nicht erfüllen. Die Israelis bzw. Juden wären – wie von arabischer Seite immer wieder gefordert und gerade wieder versucht wird – längst „zurück ins Meer“ getrieben worden.
Darüber hinaus haben sich viele antisemitische Stereotype seit der Gründung Israels auf den jüdischen Staat verschoben. Der Vorwurf der „Künstlichkeit“, der insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren beliebt war, ist ebenso Ausdruck davon, wie der Vorwurf, hinter allen Ungerechtigkeiten der Welt zu stehen oder ein „Kindermörder“ zu sein: so, als wären es auch gerade wieder nicht Hamas und Co., sondern die israelischen Streitkräfte, die gezielt Zivilisten angreifen, ermorden oder entführen. Israel ist, wie das bekannte Sprichwort lautet, der „Jude unter den Staaten“, gegen den sich weltweit ein großer Teil des antisemitischen Ressentiments richtet. Das bedeutet zugleich: Der Kampf gegen Antisemitismus kommt nicht ohne Solidarität mit dem jüdischen Staat aus. Das Zeigen der israelischen Fahne ist ein Symbol dafür.
Aber wie wir in den letzten Jahren feststellen mussten und wie auch heute wieder offensichtlich wird, wird gerade in vermeintlich progressiven Kreisen, die gern mal ein Lippenbekenntnis „gegen Antisemitismus“ von sich geben, auf die blauweißen Fahnen mit dem Davidstern wenig Wert gelegt, im Gegenteil. Die Organisatoren der heutigen Veranstaltung fordern die Teilnehmer sogar explizit dazu auf, keine Fahnen mitzubringen: „Wir bitten von Fahnen und Transparenten abzusehen und die Solidarität (…) mit der Teilnahme auszudrücken“. Dass damit nicht die Fahnen der Volksrepublik China, Belgiens oder sonst eines Landes gemeint sind, weiß jeder. Das Verbot zielt in direkter Weise auf die Fahne des jüdischen Staates.
Darum noch einmal: Wer vorgibt, Antisemitismus bekämpfen zu wollen, aber nicht von der Bedrohung sprechen will, der Israel ausgesetzt ist, hat im besten Fall nichts verstanden. Viel wahrscheinlicher ist es jedoch, dass er selbst der gemäßigte Teil desselben antisemitischen Problems ist, mit dem Israel seit dem Morgen des 7. Oktober 2023 wieder konfrontiert ist – und das sich seither in einer noch stärkeren Bedrohungslage für sämtliche jüdische Einrichtungen in Deutschland, Europa und der Welt ausdrückt.
Um dem zumindest symbolisch etwas entgegenzusetzen, haben wir ein paar kleine Fähnchen mitgebracht, die gern geschwenkt werden können, wenn die Redner den Mord an Jana L. und Kevin S. sowie den versuchten Massenmord an 51 Synagogenbesuchern wieder pietätlos für ihr eignes politisches Programm instrumentalisieren. Um Tomaten und Eier kann sich jeder selbst kümmern.
 
Kampf dem Antisemitismus heißt auch: Solidarität mit Israel!
 
AG „No Tears for Krauts“ Halle
10/2023
 
 

Mitmachen wollen sie gern — Oder: Schluss mit den linken Nazimethoden!

In Halle war kürzlich zu sehen, wohin die szenetypische Mischung aus Straf- und Mitmachbedürfnis führt.
 
Es war und ist richtig, gegen die Totalitarismustheorie, die Links und Rechts, Kommunismus und Faschismus, gleichsetzt, anzugehen und auf den Unterschieden zu bestehen. Gerade die Linke machte und macht es einem jedoch nicht immer leicht, weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart, weder im Großen noch im Kleinen. Aber der Reihe nach: Vor einigen Monaten gab eine junge Frau, die genug von den Dummheiten der hallischen Linken hatte, einem bundesweit aktiven AfD-Podcaster ein Interview. Über die genauen Hintergründe lässt sich nur spekulieren. Vielleicht wusste sie nicht, wer nach einigen ihrer kritischen Kommentare in den sozialen Netzwerken bei ihr anfragte, vielleicht wollte sie den Bekanntheitsgrad ihres eigenen Podcasts, der inzwischen wohl zum guten Ton gehört, erhöhen, vielleicht ging es ihr auch um einen Tabubruch.
Über so viel Dusseligkeit, Aufmerksamkeitsbedürfnis oder wahlweise kindlichem Trotz kann man lachen, man kann es auch kritisieren. Beides genügte der hallischen Antifa-Szene jedoch nicht. Obwohl die junge Frau während des Podcasts weder Naziideologie verbreitet noch argumentativ unter das (zugebenermaßen erschreckend niedrige) Stammtischgesprächsniveau des Offenen Antifa-Plenums, der soziokulturellen Zentren „Reilstraße 78“ oder „Galle“ gefallen ist, gilt sie seither als Nazi.
Das bietet Angehörigen der linken Szene wiederum die Möglichkeit, selbst naziähnliche Methoden anzuwenden. So zog vor einigen Tagen ein Mob von einem guten Dutzend Leuten zum Ende oder als Höhepunkt einer Geburtstagsfeier nachts zu der Kneipe, in der die Frau kellnert. Unter ihnen befanden sich mindestens einige, die sich regelmäßig beim Selbstverteidigungstraining gegen Angriffe von Neonazis präparieren. Nachdem der letzte Gast gegangen war, wurde die Frau bedroht, bespottet und beschimpft. Zugleich wurde gegen die Tür oder die Fenster getreten. Die Tür wurde mit antifaschistischen (und als Krönung: antisexistischen) Aufklebern zugeklebt, wohl um im Stil einer Streetgang das eigene Revier zu markieren. Darüber hinaus wurde ein großes Fenster der linksalternativen Kneipe mit dem großen Schriftzug „Nazikneipe!“ (mit drei Ausrufezeichen) beschmiert: Wer mit einem Halbnazi spricht, ist mindestens ein Vollnazi; wer diesen vermeintlichen Vollnazi bei sich arbeiten lässt, führt mindestens ein Naziunternehmen. Unter dem Vorwurf der Kontaktschuld, der kleinen Schwester der Sippenhaft, macht es die hallische Antifa-Szene offensichtlich nicht mehr. Die junge Frau schloss sich jedenfalls aus Angst in der Kneipe ein und verließ den Laden fluchtartig über den Nebenausgang. Wer schon einmal von einem Mob bedroht wurde oder gejagt wurde, weiß, welche Folgen das mitunter haben kann.
Dieser Vorfall zeigt nicht nur, was Angehörige der hallischen Antifa-Szene unter einer Feier und unter Spaß verstehen, nämlich andere fertigzumachen, Gewalt auszuüben und sich wechselseitig aufzustacheln. Er steht zugleich für den Verfall von Freundschaft, die nicht mehr an Nähe und Zuneigung gebunden ist, von denen oft auch dann noch etwas übrigbleibt, wenn die Freundschaft längst auseinandergegangen ist, sondern nur noch an Cliquenzugehörigkeit, mit der sie auf Gedeih und Verderb steht und fällt: Nicht wenige aus der Meute, die die Frau nun bedroht haben, gehörten vor gar nicht so langer Zeit noch zu ihrem engsten Freundeskreis.
Vor allem aber signalisiert der Fall, dass sich die linken Feierlichkeiten und Zusammenkünfte kaum von einem Dorfbesäufnis unterscheiden, wenn sich nämlich der letzte Rest vom Schützenfest, ohne dass es Ein- oder Widerspruch gibt, weil einfach alle mitmachen, zusammenrottet, um sich an einer einzelnen Frau, die zudem ganz offensichtlich Angst hat, abzuarbeiten.
Der zentrale Unterschied dürfte lediglich darin bestehen, dass der Antifa-Mob sein Vorgehen politisiert und sich vormacht, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen: Die absurde Markierung der jungen Frau als „Nazi“ und des linksalternativen Ladens als „Nazikneipe!!!“ bot die Möglichkeit, den immer wieder selbst für sich in Anspruch genommenen Antisexismus endlich einmal einen guten Onkel sein zu lassen, die eigenen unterdrückten Triebe auszuleben und mit bestem antifaschistischen Gewissen einer Frau aufzulauern, sie zu bedrohen und fertigzumachen.
Der Vorfall dürfte nicht zuletzt im Kontext einiger der gegenwärtigen Entwicklungen der linken Szene Halles zu verstehen sein. Sein Hintergrund ist der Trend, jede auch nur geringfügige Abweichung von den Umgangsformen und Imperativen der Szene zu sanktionieren und selbst Kränkungen in privaten Beziehungen nicht nur öffentlich auszuwerten, sondern auch noch vors Szenegericht zu bringen. Das trägt zum einen dazu bei, dass das eigene Straf- und Verfolgungsbedürfnis, vor dem unter den gegenwärtigen Verhältnissen kaum jemand gefeit ist, nicht unterdrückt, sondern bereitwillig ausgelebt wird: Die Hemmungen fallen. Zum anderen sinkt die Bereitschaft auszuscheren; der Drang mitzumachen wird größer, weil niemand negativ auffallen oder der nächste sein will, der ein Hausverbot oder einen Besuch auf seiner Arbeitsstelle bekommen will. Trug die Autobiografie Leo Löwenthals den Titel „Mitmachen wollte ich nie“, müsste das eigene Vorgehen trotz der vermeintlich nonkonformen bunten Haare oder des Irokesenhaarschnitts „Mitmachen wollen wir gern!“ heißen. Die Solidarität, auf die sie so stolz sind, dass sie sie sich sogar als Slogan tätowieren lassen, gilt nicht den Einzelnen, sondern der eigenen Clique, der Bande oder dem Kollektiv.
Wir gehen selbstverständlich nicht so weit, zu fordern, die Beteiligten dieser antifaschistischen Version eines Dorfmobs bei ihrer Arbeit, in ihren Uni-Seminaren oder bei Mutti und Vati als das anzuschwärzen, was sie sind: als Angehörige einer durch und durch widerwärtigen Meute. Dieser Form der öffentlichen Anprangerung stehen wir oft selbst bei tatsächlichen Nazis skeptisch gegenüber. Wir nehmen uns aber die Frage heraus, was mit einer Szene nicht stimmt, die dieses Ausmaß an Gruppendynamik, Verblödung und dem Ausfall von Reflexion hervorbringt, und fordern das, was schon in der Überschrift steht: Schluss mit den linken Nazimethoden!
 
AG No Tears for Krauts
04/2023
 

United in Love – but only how we want it!

Gerade einmal drei Jahre ist es her, als die AG „no tears for krauts“ unten stehendes Flugblatt auf dem CSD in Halle verteilte. In diesem wurde erklärt, was es mit dem Zeigen von Israelfahnen auf dieser Demonstration auf sich hatte. Die CSD-Demos der Jahre 2018 und 2019 waren zwar gut besucht, sind aber zuletzt noch deutlich größer geworden. Doch nicht nur die Anzahl der Teilnehmer hat sich in den letzten drei Jahren geändert. Während der Christopher Street Day ursprünglich begangen wurde, um an die Kämpfe der Schwulen und Lesben von Stonewall vor 53 Jahren zu erinnern, verschiebt sich der inhaltliche Schwerpunkt nun immer mehr in eine Richtung, die wir vor drei Jahren nicht absehen konnten.
Während die Anzahl homofeindlicher Angriffe, insbesondere von Anhängern der sogenannten Religion des Friedens, weiterhin hoch ist, wird auch in der queeren Szene nicht davor zurückgeschreckt, körperlich gegen lesbische Frauen vorzugehen. Beim Kölner Dyke March wurde eine Gruppe Frauen von mehreren queeren Aktivisten angegriffen und verletzt. Auslöser war neben einigen Transparenten eine Regenbogenflagge mit der Aufschrift „LGB-Lesbe, homosexuell nicht queer“, die von den queeren Blockwarten als transfeindlich erachtet wurde und beseitigt werden sollte.
Auch der CSD in Halle wird gegenwärtig von Queerfeministen dominiert, die jegliche Abweichung ihres sektengleichen Aktivismus massiv bekämpfen. Rigoros wird versucht, Menschen von Demonstrationen zu vertreiben, die von „Frauen“ statt „Flintas“ reden oder die sich prostitutionskritisch äußern. Etwas nachsichtiger gab man sich dagegen, wenn eine junge Frau, wie im letzten Jahr auf dem CSD in Halle, „Scheiß Juden“ zu Leuten sagte, die eine Israelfahne mit sich führten. Die Organisatoren sahen damals keine Notwendigkeit, diese Dame der Demonstration zu verweisen. Dass Antisemitismus nicht weiter stört, ist in Queer-Kreisen schon länger zu beobachten. Judith Butler, die Mutter der queerfeministischen Bewegung, lässt kaum eine Gelegenheit aus, um Israel zu dämonisieren. So ist es nur folgerichtig, dass das großmäulige und hier anwesende „Radikale Flinta-Kollektiv“ zur Teilnahme an der Internationalistischen Queer Pride in Berlin aufrief. Auf diesem antisemitischen Aufmarsch solidarisierte man sich mit „Palästina“ und hetzte so massiv gegen Israel, dass Hamas und Hisbollah weitestgehend zufrieden mit der hippen Performance ihres queeren Nachwuchses aus Europa sein dürften.
Unser Flugblatt, das vor drei Jahren aktuell war, wirkt angesichts dieser Entwicklungen bereits etwas aus der Zeit gefallen. In diesen drei Jahren gelang es den Queerfeministen nicht nur in Halle, verschiedene Institutionen und Gremien an sich zu reißen und unliebsame Meinungsträger heraus zu drängen. Nicht zuletzt aufgrund seiner antisemitismuskritischen Arbeit wurde vom Stura der MLU Halle, der Arbeitskreis Antifaschismus unter dem Vorwand, dieser sei transfeindlich, aufgelöst. Es verwundert kaum, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Mitglieder des Sturas im „Radikalen Flinta-Kollektiv“ mitwirken oder in der queer- und transaktivistischen Szene eingebunden sind. Eben jene Szene, die zusammen mit der Stadtfraktion der „Linken“ kritische Aktivisten in der „Linksjugend Solid“ aus der Gruppe mobbten und ihre geplanten Vorträge mit allen Mitteln verhindern wollten. Der Stura Halle, die diversen Gruppen der „Linken“ und nun auch der CSD werden von Leuten gekapert, die kein Problem mit Israelhass haben und – um propagandistisch Kapital daraus zu schlagen – homofeindliche in transfeindliche Angriffe umlügen. Jüngstes Beispiel dafür ist der tragische Tod von Malte C. auf dem CSD in Münster, der sich einem Mann entgegenstellte, der aus seinem homofeindlichen Weltbild keinen Hehl machte und Frauen auf der Demo als „lesbische Huren“ beleidigte. Dass der Tschetschene in seinem Hass ihn daraufhin totschlug, ist abscheulich. Malte, der in früheren Jahren eine Frau war, musste sterben, weil in der Welt des Mörders weder selbstbewusste Frauen noch Homosexuelle oder Transmenschen eine Daseinsberechtigung haben. Wie pietätlos queerfeministische Propagandisten agieren, wurde im Anschluss der Tat in den sozialen Medien deutlich. Das Motiv des Täters wurde auf Transfeindlichkeit heruntergebrochen und die Schuldigen sofort benannt. Nicht etwa islamische Hassprediger, homofeindliche Erziehung oder „Kulturen“, in denen Homophobie und Antisemitismus tragende Säulen der Identitätsbildung darstellen, haben den Tod von Malte zu verantworten, sondern sogenannte „Terfs“. Also jene Feministen wie Alice Schwarzer, die sich erdreisten, sich kritisch zum Transaktivismus zu äußern, hätten den Täter zur Tat getrieben. Diese dreiste und propagandistische Lüge sowie die Vorstellung, der Mörder von Malte habe sich durch die „Emma“ zur Tat inspirieren lassen, geben ein treffendes Bild ab, wie die transaktivistischen Lautsprecher es mit der Wahrheit halten.
Es ist höchste Zeit, Leuten, die mit Gewalt gegen Menschen, Farbanschlägen, Denunziationen und Drohungen ihre Vorstellungen durchsetzen und jegliche Kritik daran denunziatorisch als „transfeindlich“ abcanceln, die Angriffe auf Lesben begehen und homofeindliche Übergriffe sowie die Motive dahinter umlügen, die antisemitische Beleidigungen nicht weiter interessieren, entschlossen entgegenzutreten und ihnen ihre reaktionären Umtriebe bei jeder Gelegenheit vor die Visage zu halten.
Stonewall means fight back! Smash gay oppression!
Ihre NTFK,
September 2022

Flugblatt
CSD in Gaza!

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der heutigen CSD-Demonstration,

vielleicht waren einige von Euch schon letztes Jahr dabei, als überraschend viele, überwiegend jüngere Menschen in Halle für die Rechte der Homosexuellen auf die Straße gegangen sind. Vielleicht sind Euch dabei auch einzelne Israelfahnen aufgefallen. Und vielleicht habt Ihr Euch gefragt, warum die Fahnen des jüdischen Staats auf einer solchen Demonstration gezeigt wurden. Das war alles andere als ein Zufall. Weiterlesen

Das ostdeutsche Gefühl. Warum es zu wenig ist, nur gegen Uwe Steimle zu demonstrieren.

Folgendes Flugblatt, das wir eigentlich als Redebeitrag halten wollten aber nicht durften, verteilten wir gestern auf der Kundgebung vom Bündnis gegen Rechts Halle, die sich gegen den Auftritt Uwe Steimles im Steintor-Varieté richtete:

Das ostdeutsche Gefühl

Warum es zu wenig ist, nur gegen Uwe Steimle zu demonstrieren

Laut Ankündigungstext protestieren wir heute hier, weil mit Uwe Steimle ein Verschwörungstheoretiker und AfD-Sympathisant im Steintor-Varieté auftritt. Das finden auch wir nicht schön; für viel skandalöser halten wir es jedoch, dass nicht schon vor zehn oder 15 Jahren eine Kundgebung gegen ihn stattgefunden hat. Das war die Zeit, in der Steimle noch der Haus- und Hofkabarettist des Mitteldeut- schen Rundfunks (MDR) war und zu den Dauer- gästen der MDR-Talkshow „Riverboat“ gehörte. Seine damaligen Aussagen unterschieden sich nämlich kaum von den heutigen.Steimle präsentierte sich als Repräsentant der „belogenen und betrogenen“ Ossis, die Opfer einer gemeinen Intrige böser Wessis, Bosse oder Kapitalisten seien, schimpfte auf „Ohmehriga“ (sächsisch für: Amerika) und gegen „die da oben“. „Wir werden für blöd verkauft“, erklärte er bereits 2015 in einem Interview, hierzulande herrsche „keine Demokratie“, die Bundesrepublik sei „nur anders, aber nicht besser“ als die DDR. Weiterlesen

Bericht zur Demonstration „Raise your sheltered middle class kids voices against all who have even the slightest doubt“

Raise your voice against Terfs – unter diesem Motto rief das “radikale Flintakollektiv Ost” am 14.04. zur großen Pronomenparade. Man wolle die linke Szene und Räume in der Stadt vom Konglomerat trans‑, islam- und sexworkerfeindlicher Gruppen intersektional zurückerobern. So versammelten sich ca. 80 Personen der örtlichen Erweckungsbewegung vor dem Steintor. Im Vorfeld der Demo tauchten vermehrt Schmierereien wie “Terfs jagen” “Terfs boxen” etc. auf. Das radikale Flintakollektiv, darunter Gestalten die im örtlichen Zivilgesellschaftsnetzwerk die lammfromm Engagierten mimen, privat aber den Straßenkampf herbeisehnen, blies zur großen Szenesäuberung. Dies nahmen die AG No tears for krauts, die feministische Gruppe Artemis und Einzelpersonen zum Anlass der vorgegebenen Militanz auf den Zahn zu fühlen. Das Flintakollektiv ließ sich nicht lumpen und entsandte genau einen (!) Späher um sich zu wappnen. Trotz beachtlicher Vorsichtsmaßnahmen schauten die radikalen und militanten Flintas blöd aus der geschmacklos zusammengetragenen Vintagewäsche, als ca. 40 Personen, ohne Bemühungen ihre Absichten zu verbergen, in die Demo einsickerten und diese sogleich übernahmen. Ein sichtlich angefressener Felix (vielleicht tageszeit- und wetterabhängig auch Klara) Stock wandte sich unmittelbar radikal und militant an die Polizei um die Störer der Demo verweisen zu lassen. Nachdem dieser Wunsch nicht erfüllt wurde, war das Awarenessteam vor allem damit beschäftigt dem versammelten Publikum das Lesen der mitgebrachten Flyer zu untersagen. Weil man wusste, dass die eigene Veranstaltung von jenen übernommen wurde, denen man über Monate Prügel anbot, unternahm man einige halbherzige Versuche zu schubsen und das mitgebrachte Transparent der AG NTFK zu entreißen. Schließlich beschränkte man sich darauf das Transparent zuzustellen, war aber mit unseren professionellen Polonaisekünsten überfordert. Einmal übernommen, entschieden wir uns dazu die Demo mit Transparent als Frontblock anzuführen, ganz zum Ärger der Flintas, von deren Radikalität nur Schweigen und Zerknirschtheit blieben. Um nicht in den Verdacht zu geraten ernsthaft ein Teil der Pronomenparade zu sein, haben wir die Demo selbstbestimmt auf der Ludwig-Wucherer Str. verlassen.
 

 

Flugblatt AG NO TEARS FOR KRAUTS:
Die verfolgende Unschuld

 

  • Demonstration »Raise your voice against Terfs« (14.04.2022, Halle/Saale)

    Demonstration »Raise your voice against Terfs« (14.04.2022, Halle/Saale)

Die verfolgende Unschuld

Zur Demonstration „Raise your sheltered middle class kids voices against all who have even the slightest doubt“

Die AG „No Tears for Krauts“ hat es bisher vermieden, sich zu den Umtrieben der örtlichen Butler-Jugend zu äußern. Wie sich Leute „identifizieren“ oder „gelesen werden“, die durch ihre öffentlichen Stellungnahmen und Beschuldigungen nahelegen, dass sie selbst gar nicht richtig lesen können, ist uns herzlich egal. Wir bezeichnen sie allein schon aus Gründen der Höflichkeit als das, als das sie bezeichnet werden wollen – und gern auch noch als einiges andere dazu. Darüber hinaus wollen wir nichts mit den Kinderkreuzzügen verwöhnter Mittelstandskids zu tun haben, die auf dem Rücken des tatsächlich oft großen Leidensdrucks und der Diskriminierung von Transpersonen ihren Narzissmus ausleben. Darum auf diesem Weg auch nur ein paar wenige Worte zum Nachdenken, Weiterdenken, Ergänzen – und um den nächsten Transphobievorwurf basteln und uns die Fördergelder entziehen zu können, die wir nicht haben und auch nicht brauchen. Weiterlesen

Trau keinem unter Dreißig. Zum zwanzigsten Geburtstag der Reilstraße 78


Es mag einmal eine Zeit gegeben haben, in der die linke Empörung über Spießbürger berechtigt war. Als die Chancen auf eine wirkliche Veränderung der Gesellschaft gut standen und die alte Ordnung durch klare Regeln, Rückwärtsgewandtheit und Behäbigkeit gekennzeichnet war, war es möglicherweise nicht ganz falsch, sich über deren Repräsentanten lustig zu machen. Bereits die Tatsache, dass die Nazis der Zwanziger und Dreißiger regelmäßig auch gegen „Spießbürger“ und vermeintliche „Reaktionäre“ hetzten, hätte jedoch stutzig machen können. Sie verstanden ihren Verein als jugendliche Aufbruchsbewegung gegen das Alte und Verknöcherte. „Und mögen die Spießer auch schelten / so lass sie nur toben und schrei’n / und stemmen sich gegen uns Welten / wir werden doch Sieger sein,“ heißt es im Lied der Deutschen Arbeitsfront. Mit dem „Spießer“, dem „Reaktionär“ und dem traditionellen Konservativen – auch er ein Feindbild der Nazis – sollte all das verschwinden, das es sich für eine bessere Welt gelohnt hätte zu konservieren: Berechenbarkeit, eine gewisse Selbstbezüglichkeit, die Weigerung, sich dem Zeitgeist unterzuordnen, oder die Wertschätzung des Privaten. Weiterlesen