Adolf Hitler, der unmittelbar allgemeine Deutsche. Über die barbarische Dialektik der Souveränität.

Vortrag und Diskussion mit Joachim Bruhn

In Deutschland wird Hitler als Gegenstand der Geschichtswissenschaft verdrängt, als verlorene Utopie betrauert oder als Bildungserlebnis staatstragender Demokraten gefeiert. Aber gerade als der tobende Teppichbeißer und manische Charismatiker, als den die Historiker ihn dem staunenden Publikum vorführen, ist Hitler doch allererst Anlass zur Staatskritik, zur Reflexion auf das barbarische Potential der kapitalen Souveränität, die den nazistischen »Antisemitismus der Vernunft« entband. Der Begriff des Nationalsozialismus ist demnach, wie ihn auch der Materialist Johann Georg Elser praktisch zu fassen suchte, in der Perspektive zu entwickeln, dass Hitler als Erscheinung des allgemeinen Deutschen, als der Souverän, hinter den Staatsapparaten hervortrat und als Person unmittelbar alles, was deutsch ist, verkörperte. Darin konvergieren die materialistische Kritik der politischen Ökonomie und gewisse Einsichten der Psychiatrie, denn eine barbarische Gesellschaft kann nur von einem Funktionär repräsentiert und ausagiert werden, der seiner psychischen Konstitution zufolge nichts anderes ist als eben: die negative Aufhebung des Subjekts im Individuum selbst, d. h.: ein Barbar sondergleichen. Liest man »Mein Kampf« nicht nur als die ultimative Offenbarung aller in Deutschland definitiv nur möglichen Staatsphilosophie, sondern, was gar kein Widerspruch ist, zugleich als das Dokument einer psychischen Krankheit (wie es der Emmendinger Psychiater Wolfgang Treher in seinem fulminanten Buch »Hitler, Steiner, Schreber. Gäste aus einer anderen Welt« gezeigt hat) und, genauer, als das Protokoll einer seelischen Katastrophe, die das Ich, das internalisierte Subjekt, zerstört hat, und in Schizophrenie eskaliert, wird deutlich, was sich die Deutschen von heute mit der billigen, rationalistischen Deutung Hitlers als eines strategisch-ausgebufften, leider aber größenwahnsinnigen Machiavelli so vom Halse schaffen wollen, dass sie es für immer als ihr ursprüngliches Eigentum behalten können.

Joachim Bruhn ist Co-Autor u. a. von Initiative Sozialistisches Forum »Das Konzept Materialismus« (Freiburg 2009).

Mittwoch 3. Juli 2013 — 19 Uhr
Melanchthonianum
Universitätsplatz Halle (Saale)

Eine Veranstaltung der AG Antifa im Stura der Uni Halle — antifa​.uni​-halle​.de