Das Flugblatt wurde bei der Veranstaltung unter dem Titel »Unterwegs auf der ‘Achse des Bösen’ – Gesichter des Iran«, zu der das Gemeindehaus St. Norbert in Halle geladen hatte, verteilt. Laut Ankündigungstext wollten die Vortragenden “versuchen einen eigenen, persönlichen Blick hinter das negative Image dieses Landes zu werfen, welches in unseren Medien oft als „Gottes-Staat“, „Mullah-Regime“ oder sogar „Reich des Bösen“ (G.W. Bush) bezeichnet wird.” Ihren Reisebericht stellten sie unter der Frage »Reich des Bösen oder uralte Zivilisation?« vor.
Flugblatt – Iranveranstaltung als PDF
Nachtrag: Auch die Kletterottos vom Geoquest Halle huldigen dem Weltmeister des Terrorismus
Der iranische Gottesstaat hat erst vor kurzem das auf die Ermordung des Schriftstellers Salman Rushdie ausgesetzte Kopfgeld auf 600.000 Dollar erhöht. Die 1989 vom Revolutionsführer Khomeini ausgesprochene Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, das das Todesurteil auf blasphemische Schriften beschließt, hatte eine Welle der Gewalt zur Folge. In Großbritannien wurden Bombenanschläge auf Buchhandlungen ausgeführt, die Rushdies Buch verkauft hatten. Der japanische und der italienische Übersetzer des Buches wie auch sein norwegischer Verleger wurden ermordet. Rushdie selbst entging mehreren Mordanschlägen und ist seither gezwungen, unter schwerer Bewachung ein Leben im Untergrund zu führen. 27 Jahre nach der Verhängung des Todesurteils erneuerten vierzig staatliche Medien im Iran jetzt den Mordaufruf gegen den Schriftsteller. Gelten Medien anderswo als Wahrer der Meinungs- oder Religionsfreiheit, stehen die staatlichen iranischen Medien für das genaue Gegenteil: Im Dienste eines islamistischen Gottesstaates treiben sie die Verfolgung eines Schriftstellers voran, dessen einziges ‚Verbrechen‘ darin bestand, ein Buch geschrieben zu haben, das den Missfallen des totalitären Ideologen Khomeinis und seiner Nachfolger erregt hat.
Die gegenstandslose Hoffnung auf eine gemäßigte Politik des Iran infolge des Atomdeals, der als krisenstabilisierender Partner im Nahen Osten gesehen wird, hat sich erwärtungsgemäß blamiert. Diesem totalitären Regime, das jeden Aufschein individueller wie gesellschaftlicher Emanzipation verfolgt und zerstört, das Widerstand gegen die klerikalfaschistischen Schicksalsbestimmungen der Mullas mit dem Tod bestraft, dem Gottesstaat also, der im Yemen einen erbarmungslosen und folgenschweren Bürgerkrieg austrägt und weiterhin unablässig mit der Vernichtung des jüdischen Staats droht, wird trotzdem von deutschen Regierungsvertretern die Treue gehalten.
Trotz allem, oder gerade deswegen, will dem der deutsche Normalotto in Nichts nachstehen. So veranstalteten die Kletteridioten “Gerald & Chris” einen Reisevortrag unter dem völlig unironisch gemeinten Titel “Iran: Land der Gastfreundschaft”.
Wer angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Lebensbedingungen im Iran, aus welchen narzisstischen Gründen auch immer, in schamlosem Affirmationskitsch die politische Ideologie des Islam ausblendet, macht gemeinsame Sache mit den Gotteskriegern, betreibt aktiv Propaganda für das klerikalfaschistische Regime und verhöhnt niederträchtig dessen Opfer.
[PDF] Faszination Klerikalfaschismus – Iran Weltmeister des Terrorismus [PDF]

Gegen die Apologie des Terrors
Liebe Iranfreunde,
geehrte Gemeindemitglieder,
anders als das Ehepaar Ellermann, das heute Abend zu einer audio-visuellen Reise in den Iran in das Gemeindehaus St. Norbert einlädt, waren Sie vielleicht noch nicht persönlich in der Islamischen Republik. Aber auch Sie kennen den Iran hinreichend aus den Medien, um von Land und Leuten begeistert zu sein. Ihre Faszination gilt allerdings weniger der kargen Landschaft zwischen dem Kaspischen Meer und dem Persischen Golf, die so abwechslungsreich ist wie die Magdeburger Börde. Es sind auch nicht die alten Perserstädte Isfahan und Persepolis, die ihre Sehnsucht geweckt haben. Stattdessen ist es die Faszination Klerikalfaschismus, die Sie heute hierher geführt hat, um einer anheimelnden Liebeserklärung an eine der grausamsten Despotien dieser Welt zu lauschen.
Augstein empfiehlt
Aufgrund mehrfacher Besuche im Iran weiß das Ehepaar Ellermann natürlich alles über das Ausflugziel Ihrer Dia-Show. Beide machen keinen Hehl daraus, weshalb sie nicht genug davon kriegen, die Islamische Republik zu bereisen. Denn erst die Medienberichte über die politische Situation haben sie zur Reise ermutigt. Mit der Folge, dass sie – »ohne Vorbuchungen«! – in den Iran reisten, um einen »persönlichen Blick hinter das negative Image des Landes zu werfen, welches in unseren Medien oft als ›Gottes-Staat‹, ›Mullah-Regime‹ oder sogar ›Reich des Bösen‹ (G.W. Bush) bezeichnet wird«. Auch Sie – geehrter Besucher – wurden weniger von den Bemühungen des iranischen Touristenministeriums auf das Land eingestimmt als von Jakob Augsteins Kolumnen und Jürgen Todenhöfers Analysen, die aus ihren Herzen keine Mördergrube machen, wenn es um ihre heimliche Zuneigung für die Islamische Republik geht. Mit ihnen halten Sie den Gottesstaat für ein weltpolitisches Mobbingopfer, dessen Modernisierung durch Jerusalem und Washington verhindert wird. In Ihrer Hauspostille – der Mitteldeutschen Zeitung – haben Sie gelesen, dass Israelis und US-Amerikaner lange Zeit gemeinsam für Sanktionen gegenüber dem Iran eintraten, bis jüngst Berlins Drängen und Washingtons Nachgeben die schrittweise Aufhebung eingeleitet haben. Mit Augstein fragen Sie sich, weshalb nicht auch die Mullahs Nuklearwaffen besitzen sollen, wenn auch andere Staaten über ein Atomwaffenarsenal verfügen. Israel mit seinen Atombomben halten Sie gemeinsam mit Ihren Mitbürgern ohnehin für die größte Bedrohung des Weltfriedens. In der Süddeutschen Zeitung – als Katholik und Friedensaktivist das Nonplusultra im Blätterwald! – haben Sie erschrocken gelesen, dass die Vernichtungsdrohungen gegenüber dem jüdischen Staat und die Holocaustleugnungen Ahmadinedschads und Khameneis nur vorsätzliche Übersetzungsfehler westlicher Medien gewesen sind. Beruhigt haben Sie dabei festgestellt, dass die Mullahs sich keineswegs mit der »Besatzung in Jerusalem« abgefunden haben. Als Friedensaktivist bringen Sie die militärischen Großmachtsbestrebungen der iranischen Führung nicht aus der Fassung, weil die Mullahs versprechen, den größten Unruhestifter auf der Weltbühne von der Landkarte zu tilgen. Den Iran lieben Sie schlichtweg dafür, weil er sich wie kein zweiter Staat die Endlösung der Israelfrage auf die Fahnen geschrieben hat. Nicht der programmatische Antisemitismus iranischer Eliten sorgt bei Ihnen für Empörung, sondern der vermeintliche Rufmord der deutschen Presse an den engagierten Israelkritikern aus Teheran. Zusammen mit den Ellermanns, den bekanntesten deutschen Nachkriegsautoren, dem halben Pressesalon, dreiviertel des Kulturbetriebs und jedem dritten Bundestagsabgeordneten glauben Sie ernsthaft, dass niemand hierzulande den Einsatz des Irans für den Weltfrieden würdigen würde.
Liebesgrüße aus Teheran
Nicht nur die antiamerikanischen und israelfeindlichen Wandbilder, die man überall in Teheran und andernorts im Land sehen kann, wecken Ihre heimliche Faszination. Genauso rührt Sie die Kultur des Landes. Naturgemäß suchen Sie im Urlaub weniger nach schönen Stränden mit Palmen oder nach Poolanlagen zum Sonnenbaden als nach fremden Gebräuchen und Sitten. Dementsprechend zieren das Plakat für den heutigen Dia-Abend Bilder einer halbverschleierten Frauengruppe und eine Moschee. Wenn Sie an den Iran denken, so vorallem an jene vielbeschriebene Diskrepanz zwischen Moderne und Gottesstaat. Ihr Fernweh gilt nicht nur der Omnipräsenz der Religiosität im Gottesstatt. Als Gemeindemitglied der katholischen Kirche können Sie gar nicht anders, als die restlos gefüllten Moscheen zu bestaunen. Und auch als Leser des kostenlosen Lokalblattes für Engagement-Märtyrer – der Halleschen Störung –, das die heutige Veranstaltung exklusiv bewirbt, hegen Sie tiefe Bewunderung für Aufopferungsrituale und Frömmigkeit. Alkoholverbot, Berührungstabu, Geschlechtertrennung, Zwangsheirat, Kultursäuberung und Kleiderordnung erwecken bei Ihnen als Ausdruck moralischen Rigorismus’ auch heimlichen Neid. Wenn Zwangsverheiratung und Geschlechtertrennung trotzdem nicht Ihre absolute Zustimmung hervorrufen – Menschenrechte und Gleichberechtigung sind Ihnen selbstverständlich eine Herzensangelegenheit –, so ist Ihre etwaige Empörung doch geheuchelt. Denn die Teheraner Frauen mit knallrotem Lippenstift und lässig getragenem Kopftuch, deren Erwähnung bei keiner Liebeserklärung an den Iran fehlen darf, hinterlassen nur deshalb tieferen Eindruck, weil die rigiden Kontrollen der Sittenpolizei und die Maßnahmen der Revolutionswächter allgegenwärtig sind. Als alter Georg-Orwell-Fan hegen Sie auch deshalb zärtliche Gefühle für den autoritären Wächterratsstaat, weil erst dessen Sittenpolizei an die Verlockungen der verhüllten Reize und tabuisierten Genüsse erinnert, die bei Ihnen daheim kaum mehr als Müdigkeit auslösen. In der Atmosphäre von folgenschweren Berührungen, verstohlenen Blicken und gefährlichen Affären gewinnt auch der Sexualpartner wieder an Attraktivität. So ist Ihnen eine seelische Erfrischungskur, was für liberale Iraner tagtägliche Drangsale bedeutet.
Moralische Nachrüstung
Trotz Ihrer verstohlenen Sympathien für den Iran würden Sie natürlich nie die Menschenrechtsverletzungen des Mullahregimes vergessen. Zwar erwähnen Ellermanns in der Ankündigung zum heutigem Dia-Abend bezeichnenderweise mit keinem Wort die politische Situation im Iran, während sich sonst ihre Stimme vor lauter Empörung überschlägt, sobald es um die Gewalt im War on Terror geht. Aber nicht nur Ellermanns wissen, dass die Zahl der vollstreckten Todesurteile seit Rohanis Machtantritt enorm gestiegen ist. Wenn der amtierende iranische Präsident hierzulande unbeirrt als moderat bezeichnet wird, dann weil er im Gegensatz zu seinem Vorgänger Ahmadinedschad nicht auf öffentlichen Plätzen an Baukränen aufknüpfen, sondern in Gefängniskellern exekutieren lässt. Ebenso wie Ihren Reiseführern ist auch Ihnen – geehrter Besucher – bekannt, dass sich unter den Opfern nicht nur ausgemachte Oppositionelle befinden, sondern beispielsweise auch dutzende Mädchen ab neun Jahren, die derzeit auf ihre Hinrichtung warten. Auch wenn Sie deren Namen noch nicht gehört haben, so begeben Sie sich doch nicht als unwissender Pauschaltourist auf Ihre imaginäre Reise in das Reich des Bösen. Stattdessen fahren Sie im Geiste Claudia Roths und Frank-Walther Steinmeiers als kritischer Menschenrechtsbotschafter. Roth und Steinmeier haben Ihnen bei ihren jüngsten Iranreisen bestätigt, dass massenweise Folter und zahlreiche Hinrichtungen kein Grund sind, daheim zu bleiben, sondern sogar moralisch zur Reisebuchung verpflichten. Es wäre zu bequem, sich an »Staaten mit anderen Vorstellungen von Menschenrechten« (!) nicht »die Hände schmutzig zu machen«. Die Ellermanns besitzen zwar als wandelndes Goethe-Institut keine politische Entscheidungsmacht, aber sie sind doch engagierte Staatsbürger genug, um ihre Privatreisen als Beitrag zum Deutsch-Iranischen Kulturdialog aufzufassen. Selbst ohne offiziellen Auftrag und ohne Wirtschaftsverbände im Nacken sind auch sie voller Verständnis für das Mullahregime. So reisen sie in den Iran, um danach Freunde und Bekannte für das religiöse Selbstverständnis, die politische Haltung und für die fremden Vorstellungen von Menschenrechten zu werben. Als inoffizielle Abgesandte des Außenamtes tragen sie so, wie Steinmeier und Roth mit ihren zuvorkommenden Freundschaftsbesuchen und lobenden Worten für die durch Rohani in Aussicht gestellten Reformen auf politischer Ebene, auf kulturellem Flur zur moralischen Nachrüstung des Klerikalfaschismus bei.
Ag No Tears for Krauts Halle
18. Februar 2016,
Halle (Saale)