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Veranstaltungsreihe gegen Antisemitismus - in Dessau Dezember 2008

Dezember 2008
Hochschule Anhalt,
Gebäude 11 (Hardenbergstrasse 11), Dessau

3.12.: „Antisemitismus in Dessau – Schlaglichter zum lokalen Diskurs 1967-1982“

Bereits vor der Gründung der DDR stand das jüdische Verlangen nach einem eigenen Staatswesen in Palästina in einem eindeutig konträren Verhältnis zur bisherigen antizionistischen Einstellung und Praxis der kommunistischen Bewegung. Antikapitalistische Argumentationen der frühen SED verbanden meist unwidersprochen eine Gleichsetzung von Juden und Kapitalisten und der Entgegensetzung von jüdischen Kapitalisten und Arbeiterklasse. Obwohl die Gründung des Staates Israels von der SED anfänglich, analog den Vorgaben aus Moskau, begrüßt wurde, schlug diese Zustimmung schnell in einen aggressiv vorgetragenen Antizionismus um, der immer offener antisemitisch argumentierte.
Besonders kam die antisemitische DDR-Propaganda bei der Bewertung israelischer Militäraktionen in den Nahostkriegen zum Vorschein. Das war beim Sechstagekrieg 1967 in Ansätzen so, steigerte sich beim Jom-Kippur-Krieg (1973), um schließlich in einer offen antisemitischen Kampagne rund um den Libanon-Krieg (1982) zu münden. Diese Entwicklung ist auch für Dessau nachweisbar.
Während und nach dem Jom-Kippur-Krieg dominierte der antisemitische Antizionismus Erklärungen und Interpretationen der staatsoffiziellen Debatte und mehr noch, reihenweise wurde die Politik und Militärstrategie Israel mit den Nationalsozialisten verglichen oder gleichgesetzt. So veröffentlichte die „Freiheit“ am 11. Oktober 1973 einen Artikel unter der Überschrift „Die Verbrechen Israels erinnern an die Nazis“.
Im Zusammenhang mit dem Libanonkrieg 1982 und den folgenden Konflikten im selben Jahr diente der Ausdruck „Zionismus“ nur noch als Staffage, um offenen Antisemitismus semantisch zu kaschieren. In fast jedem Artikel wurden Begriffe aus dem historischen Nationalsozialismus für die Beschreibung Israels benutzt. Dabei wurde fast die komplette Klaviatur der NS-Sprache verwendet. Die Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten titelten am 11. Juni 1982: „Israel führt totalen Krieg“ , um am 30. Juni 1982 mit der Schlagzeile „Massakern des Faschismus ähnlich“ nachzulegen.
Selbst Vergleiche zum nationalsozialistischen Vernichtungslager Auschwitz wurden nicht ausgespart. In dem „Freiheit“- Kommentar vom 19. Juni 1982 „Damit aus Beirut kein Auschwitz wird“ , spricht der Redakteur von „zionistischen Terrorbanden nach dem Muster von Lidice“.
Die „Freiheit“ vom 23. September 1982 stellte unter der Überschrift „Blutbad gleicht den Verbrechen der Faschisten im Warschauer Ghetto“ einen unmittelbaren Bezugs- und Vergleichsrahmen zu Verbrechen des Nationalsozialismus her und sprach von einem „kaltblütig organisierten Massenmord“.

siehe:
http://www.projektgegenpart.org/gp-chronik/front_contentf635.html?idcat=96




8.12.: 1968, die RAF und die Neue Linke

Anlässlich des 40. Jubiläums von „1968“ kann jeder Unsinn über die Protestbewegung verbreitet werden: Die Achtundsechziger seien naive Romantiker mit einer „gefährlichen Blindheit“ gegenüber dem Totalitarismus, auf der Suche nach Spiritualität oder einfach nur anmaßend gewesen. Nur eins darf man im Jubiläumsjahr, in dem selbst die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt, dass die Republik in Folge von „1968“ demokratisiert wurde, nicht sagen: „1968“ war ein nationalrevolutionärer Aufbruch in der Tradition von „1933“. Wer es, wie Götz Aly in seinem Buch „Unser Kampf“, dennoch tut, zieht nicht nur den Zorn derjenigen auf sich, die „dabei“ waren: der Veteranen und Apo-Opas, die inzwischen in den Redaktionen der großen Tageszeitungen, in Ministerien oder auf Biohöfen in der Toskana untergekommen sind. Er stellt zugleich seine berufliche
Reputation aufs Spiel.
Für Vergleiche zwischen den Dreiunddreißigern und Vertretern der Neuen Linken ist ein anderes Jubiläum zuständig: das des „Deutschen Herbstes“ 1977. Auch wenn im Wissenschaftsbetrieb gelegentlich lieblos darauf hingewiesen wird, dass die Geschichte des „bewaffneten Kampfes“ zur Geschichte der Neuen Linken gehört, wird sie im öffentlichen Verständnis inzwischen regelmäßig davon abgekoppelt. Tatsächlich schlug es allerdings nirgends so sehr „68“ wie bei der RAF – im guten wie im schlechten Sinn.
Warum sich die Geschichte des „bewaffneten Kampfes“ nicht von der Geschichte der Neuen Linken abspalten läst, warum die RAF der bessere SDS war, am Ende aber doch nur ein militantes Heimatschutzkommando herauskam, das Deutschland von Amerikanern, Juden und Bonzen „befreien“ wollte, und warum Götz Alys Abhandlung über die Wiederkehr der Dreiunddreißiger in den Achtundsechzigern trotz aller richtigen Erkenntnisse kein gutes Buch ist– das alles erläutert Jan Gerber.

Jan Gerber hat gemeinsam mit Joachim Bruhn das Buch „Rote Armee Fiktion“ (Freiburg: ça ira Verlag) herausgegeben und schreibt u.a. für „Bahamas“, „Phase 2“ und „Jungle World“.



15.12., „Das Netz der Blutsauger: Über ‚Momo‘ und die Reproduktion des Antisemitismus“

„Michael Ende, du hast mein Leben zerstört“, sang die Band „Tocotronic“ vor mehr als zehn Jahren. Der Song richtete sich vor allem gegen friedensbewegte und ökologisch gesinnte Lehrer, die in den 1980er Jahren ihren Schülern pausenlos mit dem Preisen der Romane des Kinderbuchautors in den Ohren lagen. Heute jedoch muss deren Lektüre Schülern nicht mehr durch Empfehlungen wollpullitragender Pädagogen nahe gebracht werden. Es sind tatsächlich die „Eltern aller Schichten“, die ihren Kindern die Bücher des Schriftstellers nicht nur ans Herz, sondern auch auf den weihnachtlichen Gabentisch legen.
Endes größter Erfolg wurde der Roman „Momo“, der bei Deutschlehrern besonders hoch im Kurs steht und seit 35 Jahren eines der beliebtesten deutschen Jugendbücher ist. Wie kein anderes Buch wird „Momo“ seit seinem Erscheinen mit der Sehnsucht nach einem besseren Leben, der Utopie von einer freien Welt und vor allem mit der lebensnahen Darstellung von Phantasie, Kreativität und Sinnlichkeit in Verbindung gebracht.
Dass solche Qualifizierungen einer Textkritik des Romans keineswegs standhalten, soll der Vortrag erläutern. In Hinblick auf „Momo“ wird vor allem vom Antisemitismus zu sprechen sein, der im Buch ganz ohne Juden auskommt und doch alle ideologischen Bestandteile des modernen Judenhasses reproduziert. Wahrscheinlich ist hierin der Grund zu suchen, warum „Momo“ als hochideologisches Traktat den Deutschen generationenübergreifend so unentbehrlich geworden ist.

Peter Siemionek lebt in Halle. Er ist dem Diskussionskreis „Materialien zur Aufklärung und Kritik“ assoziiert und hat zuletzt einen Artikel über „Momo“ in der Zeitschrift „Bahamas“ veröffentlicht.

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