Vieles ist mit dem Untergang des „real existierenden Sozialismus“ in der Versenkung verschwunden, doch eine Ideologie hält sich bis heute hartnäckig am Leben: die Verelendungstheorie, also die Ansicht, die Unterdrückten kämpften automatisch auf der richtigen Seite. Hatte das „Kommunistische Manifest“ einst festgestellt, das Proletariat habe nichts zu verlieren außer seinen Ketten, und damit in revolutionärer Absicht auf den Verstand der Arbeiter gesetzt, so weitete der Leninismus diese historische Einsicht zu einer Theorie aus, die einen gesetzmäßigen Kampf der „unterdrückten Völker“ gegen die „Imperialisten“ auszumachen glaubte. Weil sich die „Gesetzmäßigkeit“ nicht recht durch die Realität beweisen lassen wollte, unterstützte die Sowjetunion alle vermeintlich „progressiven antiimperialistischen Kräfte“, d.h. „nationale Befreiunsgbewegungen“. Während jedoch im Rahmen der Blockkonkurrenz die Unterstützung der „unterdrückten Völker“ immer noch mit dem Anspruch auf Gleichheit und Wohlstand verknüpft war und deshalb bisweilen zivilisatorische Nebeneffekte zutage förderte, ist der Antiimperialismus heute – nach dem Zusammenbruch – völlig zu sich selbst gekommen: Er ist nichts weiter als ein barbarischer Rachefeldzug der Zukurzgekommenen gegen individuelles Glück, Schönheit und Emanzipation.
Warum die entrechteten und unterdrückten Massen nicht gegen die gesellschaftlichen Bedingungen ihres Elends kämpfen, sondern „Elend für alle!“ fordern, und warum die Linke, speziell die Antiglobalisierungsbewegung, nicht für ein besseres Leben streitet, sondern sich stattdessen immer tiefer in Barbarei verstrickt, erläutert Philipp Lenhard, freier Autor aus Köln u.a. für Konkret, Bahamas und Prodomo.
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